Es gibt keinen Zweifel daran: Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Auch wenn sich der Hype vielleicht wieder verflüchtigen wird, so ist dennoch die Technologie vorhanden und wird in zahlreichen Anwendungen des täglichen Gebrauchs, oft auch unbewusst, verwendet. Besonders ChatGPT und ähnliche „Large Language Models“ beeinflussen den Unterrichtsalltag stark.
Die ersten Erprobungen im pädagogischen Kontext lieferten bereits im Vorjahr Erkenntnisse mit sehr unterschiedlichen Resultaten. Als Schüler:innen vermehrt KI zur Textproduktion verwendeten, bemühten sich viele Lehrkräfte, die KI absichtlich zu verwirren, um aufzuzeigen, dass sie nicht in der Lage sei, die gewünschten Ergebnisse zu liefern. Mit entsprechend formulierten Eingaben kann das auch tatsächlich gut funktionieren. Dass im Bildungsbereich eine betont kritische Haltung gegenüber neuen technologischen Entwicklungen tendenziell Tradition hat, ist jedoch nichts Neues.
Der Artikel verschleiert hier nämlich mutwillig den Nutzen von Künstlicher Intelligenz und den Umstand, dass diese im reflektierten und geschulten Umgang durchaus wirksame Tools für zeitgemäßes Lernen und Lehren mit sich bringt. Betrachtet man KI als persönliche Assistenz und bietet dazu Fortbildungen und Projekte an, werden nicht einfach menschliche Denkprozesse durch algorithmisch generierte Musterlösungen ersetzt, sondern Ergebnisse komplexer menschlicher Denkprozesse, die einer zielgerichteten Formulierung der Prompts vorausgehen müssen, verfeinert und vertieft – und genau das ist eine Chance.
Mit der Unterstützung von KI kann der Fokus von problemorientiertem Unterricht erweitert werden, um ein notwendigerweise didaktisch reduziertes Thema erneut in einen umfassenderen Kontext zu bringen und Schüler:innen adäquat auf eine immer komplexer werdende Welt vorzubereiten. Dabei spielt die Ergänzung der vorwissenschaftlichen Arbeit um die Möglichkeit, digitale Medienformate im Unterricht zu produzieren, eine maßgebliche Rolle, denn solche Projekte geben Schüler:innen den Raum, ihre eigenen innovativen Ideen an ebendieser Komplexität zu prüfen. Es braucht diese Ideen, dieses Sich-Abarbeiten und Durchdringen von Themen während des gesamten Arbeitsprozesses, denn ohne diese Ideen ist auch eine KI einfach nur leer. Nur so tragen Erwerb und Anwendung von Wissen zur Förderung von Kompetenzen bei, die auch im Sinne des lebenslangen Lernens und der Bildung für nachhaltige Entwicklun [1] unsere Kinder auf eine Zukunft in einer Kultur der Digitalität [2] vorbereiten.
Die österreichische Bildungslandschaft hat sich dieser Philosophie verschrieben. Die KI-Initiative beispielsweise bringt seit letztem Jahr über 100 österreichische Schulen in eine aktive Auseinandersetzung mit der Thematik. Das eEducation-Netzwerk (immerhin 78% aller Lehrkräfte und Schüler:innen sind in eEducation-Schulen, eine Mitgliedschaft beruht auf Freiwilligkeit) unterstützt hier maßgeblich. Das Netzwerk greift Trends im Bereich der Digitalität auf und thematisiert diese im Rahmen von zwei jährlichen Fachtagungen – und das seit 2016. Projekte wie die KI-Initiative werden von eEducation laufend begleitet und daraus abgeleitete Ergebnisse werden der interessierten Community von Pädagog:innen bereitgestellt, um diese dorthin zu tragen, wo es sie letztlich braucht: in die Schulen.
Schule als Prinzip darf sich der Verantwortung für gegenwärtige und zukünftige Entwicklungen (in sowohl technischer als auch gesellschaftlicher Hinsicht) keinesfalls entziehen. Eine fächerunabhängige Auseinandersetzung mit neuen digitalen Möglichkeiten ist notwendig und durch den Grundsatzerlass Medienbildung, der auf etablierten Kompetenzmodellen [3] und wissenschaftlichen Ansätzen der Medienwirkungs- und Nutzungsforschung [4] fußt, im Bildungsbereich auch gesetzlich verankert. Wegdiskutieren lässt sich diese Zuständigkeit der Schule nicht. Das Frankfurt-Dreieck, ein interdisziplinäres Modell, das stark auf die Wechselwirkung von Technologie, Gesellschaft und Individuum eingeht, ist längst Basis eines reflektierten Unterrichts mit, durch und über digitale/n Medien geworden – nicht nur in einem spezifischen Gegenstand, sondern integral, wie es auch im Grundsatzerlass Medienbildung zum Ausdruck gebracht wird.
Und letztlich ist es nicht zu leugnen, dass wir durch die Maßnahmen, die in den letzten Jahren im österreichischen Schulwesen ergriffen worden sind, viel besser dastehen als andere EU-Länder. Für den 8-Punkte-Plan einschließlich der Geräteinitiative, an der immerhin 98% aller Schulen der Sekundarstufe I teilnehmen, sind schon vor Jahren Regeln für den Einsatz digitaler Geräte im Unterricht festgelegt worden, die nach wie vor Geltung haben. Kurzum: Die Infrastruktur und der Einsatz digitaler Endgeräte ist in Österreich vorhanden wie sonst in wenig anderen Ländern und auch gut erprobt. Eine wissenschaftliche Begleitstudie dazu, durchgeführt von der JKU Linz, die Befragungen von Lehrkräften und Schüler:innen zum Inhalt hatte, unterstreicht dies.
Österreichs Innovationspotenzial lässt nach, auch das belegen Studien. Durch Verbote und Ausblenden der gesellschaftlichen Realität wird sich diese Situation nicht verbessern. Dennoch benötigt es einen offenen und kritischen Diskurs, in den auch jene miteinbezogen werden müssen, denen es schwerfällt, einen für sie passenden Zugang zu diesen Entwicklungstendenzen zu finden. Die nächste Fachtagung eEducation, die im Rahmen der Interpädagogica vom 7.- 8. November in Wien stattfinden wird, verfolgt genau dieses Ziel und wird sich dieser Themen erneut annehmen. Dazu laden wir herzlich ein.
[1] Sustainable Development Goals der UN: https://sdgs.un.org/goals
[2] Vgl. Stalder, Felix (20215): Kultur der Digitalität. Berlin: suhrkamp.
[3] Vgl. Baacke, Dieter (2022): Was ist Medienkompetenz? In: Von Gross, Friederike; Röllecke, Renate (Hrsg.): Love, Hate & More. Digitale Teilhabe durch Medienpädagogik ermöglichen. München: kopaed, 137-138
[4] Vgl. Früh, Werner (1991): Medienwirkungen: Das dynamisch-transaktionale Modell. Theorie und empirische Forschung. Wiesbaden: Springer Fachmedien.